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Frühjahrs-Feenkrebs © U. Manzke

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Großbranchiopoden / "Urzeitkrebse" / Kiemenfusskrebse
Die in in Deutschland vorkommenden Arten in Text und Bild.

Von Uwe Manzke

Schuppenschwanz © U. Manzke

Einst war der Schuppenschwanz Lepidurus apus in den Flußauen weit verbreitet, in der Region Hannover ist er noch im Leinetal zu finden.

Für Hinweise und Fundmeldungen zu Vorkommen von Urzeitkrebsen in Deutschland und Skandinavien bin ich dankbar. Kontakt

Nachweiskarten der Urzeitkrebse in Deutschland

Die "Großbranchiopoden" oder auch "Kiemenfusskrebse" werden gemeinhin als "Urzeitkrebse" bezeichnet, manchmal werden sie auch Phyllopoden (Blattfüßer) genannt. Diese stammesgeschichtlich sehr alte Krebsgruppe lebt schon seit mehreren hundert millionen Jahren auf der Erde und einige Vertreter wie etwa Triops werden oft als "lebende Fossilien" bezeichnet. Dies stimmt aber nicht, da diese urtümlichen Krebse weltweit und in vielen verschiedenen Taxa zu finden sind. Lebende Fossilien sind aber auf nur kleine Verbreitungsareale beschränkt und sehr artenarm, und heute oft nur durch eine oder zwei Arten präsentiert.

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Überschwemmungstümpel, Fundort von Lepidurus apus im Leinetal bei Hannover.

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Qualmwasser, Fundort von Lepidurus apus und Eubranchipus grubii an der niedersächsischen Elbe.

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Waldtümpel, Fundort von Eubranchipus grubii in der Region Hannover.

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Schmelzwassertümpel, Fundort des zirkumpolar verbreiteten Urzeitkrebses Polyartemia forcipata im schwedischen Fjäll, ca. 1.000 m üNN.

Innerhalb der heute lebenden Branchiopoden unterscheidet man vier Gruppen, wobei nur drei zu den "Großbranchiopoden" gezählt werden. Dies sind die Anostraca (Schalenlose, Feenkrebse), die Notostraca (Rückenschaler) und die Conchostraca (Muschelschaler; nach der neueren Nomenklatur werden die ursprünglich unter den Conchostraca zusammengefassten Großbranchiopoden den Spinicaudata und den Laevicaudata zugeordnet, ich nutze hier weiterhin Conchostraca). Die vierte Gruppe sind die kleineren Wasserflöhe (Cladocera). Wegen ihrer geringeren Körpergröße werden sie nicht zu den "Großbranchiopoden" gezählt.

Aufgrund ihrer hochinteressanten Fortpflanzungsbiologie sind Urzeitkrebse seit einigen Jahren verstärkt in das Bewusstsein der Bevölkerung gedrungen. Bereits in den 1880er Jahren waren Urzeitkrebse gefragte Aquarientiere (s.u. Verkaufsanzeige des bekannten Berliner Zierfischzüchters Paul Matte, Lankwitz). Dann wurden in den 1920er und 30er Jahren Triops-Cysten zur Aufzucht im Aquarium gehandelt. In den 1960er und 70er Jahren kamen dann im englischsprachigen Raum (USA, Groß Britannien, Australien) die "Sea-Monkeys" (Salinenkrebse) auf den Markt. Vor allem seit den 1970er Jahren werden in Deutschland einfache Aufzucht-Sets mit Urzeitkrebsen für Kinder und Jugendliche verkauft. Mittlerweile ist daraus eine regelrechte Fan-Gemeinde erwachsen, die sich in Internet-Foren und bei gemeinsamen Treffen über diese Tiere informieren und ihr Wissen austauschen.

Seit vielen Jahrzehnten ist allerdings die Zucht von Urzeitkrebsen für Aquarianer mit Zuchtambitionen und professionelle, gewerbliche Fischzüchter sowie der sich immer mehr etablierenden "Aquakulturen" (Fisch- und Garnelenzucht) nicht mehr wegzudenken. Für die Fischbrut werden Salinenkrebse Artemia sp. gezüchtet und an die kleinen Fische als Futter verfüttert. Diese relativ einfache Methode geeignetes Jungfischfutter zu erhalten, entstand aus praktischen Erwägungen und auch aufgrund der zunehmenden Verarmung unserer Kulturlandschaft. Unbeeinträchtigte Kleingewässer mit reichen Vorkommen von sogenanntem "Tümpel- bzw. Staubfutter" sind selten geworden.

Urzeitkrebse bewohnen heutzutage überwiegend temporäre Gewässer und/oder salzige Binnengewässer. Ihre Lebensräume erstrecken sich von den Tropen über die Subtropen und die gemäßigten Zonen bis in die alpinen und die arktischen Regionen in Nordeuropa, Spitzbergen, Grönland, Nordamerika und Nordasien.

In diesen Gewässertypen unterliegen sie keinem so hohen Frass- und Konkurrenzdruck, wie in permanenten Gewässern mit größeren "krebsfressenden" Beutegreifern, zum Beispiel Fische oder Insektenlarven. Wichtig ist es daher für viele Arten, dass die Gewässer zeitweilig austrocknen und keine Fische beherbergen. Diese Austrocknung überleben die Urzeitkrebse, indem sie "Dauereier" (es sind eigentlich keine Eier sondern Zysten) ablegen. Diese Dauerstadien können Jahre, sogar jahrzehntelang im Substrat überleben, um dann im Frühjahr oder Sommer nach starken Regenfällen oder Hochwasserereignissen zu schlüpfen.

Durch die intensive Landnutzung wurden und werden immer noch viele Tümpel (temporäre Klein- und Kleinstgewässer) vernichtet, mit ihnen die Lebensräume der Urzeitkrebse. Auch der Ausbau der Flüsse mit dem einhergehenden Verlust der auenprägenden Habitatelemente, wie Überschwemmungs- und Druckwassertümpel, hat zum Verschwinden der Urzeitkrebse beigetragen.

Für Hinweise und Fundmeldungen zu Vorkommen von Urzeitkrebsen in Deutschland (und Europa) bin ich dankbar. Kontakt

Hier einige Tipps und Hinweise zur Kartierung der Frühjahrsarten

In Deutschland nachgewiesene "Urzeitkrebse"

Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sind mindestens zwölf Taxa der "Großbranchiopoden" bekannt. In Niedersachsen leb(t)en mindestens sieben Taxa, in der Region Hannover sind bisher vier Taxa nachgewiesen worden. Da es keine einheitlichen deutschen Namen für die Großbranchiopoden gibt, werden in der Liste die wissenschaftlichen Namen vorangestellt. Aufgrund neuer Erkenntnisse scheinen mindestens sieben Taxa (58%), davon drei in der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) gelistet, durch den Menschen eingeschleppt worden zu sein (vgl. Manzke 2022). Diese Taxa sind durch eckige Klammern gekennzeichnet. Für Limnadia lenticularis ist eine Diagnose noch offen.
Mit Sicherheit einheimisch (autochthon) und nicht durch den Menschen eingeschleppt sind die folgenden Taxa: Eubranchipus grubii, Tanymastix stagnalis, Lepidurus a. apus und Lynceus brachyurus.

 

 

    Unter "Diplostraca" werden mittlerweile die früher unter Conchostraca zusammengefassten Muschelschaler "Laevicaudata" und "Spinicaudata" zusammengefaßt.
  • [Cyzicus cf. tetracerus] 2022 auf einem Truppenübungsplatz in Süd-Deutschland nachgewiesen
  • Limnadia lenticularis - Linsenkrebs, Flossenfloh
  • Lynceus brachyurus - Dickbauchkrebs
  • [Leptestheria dahalacensis - Steppen-Muschelschaler]

 

Verkaufsanzeige © U. Manzke

Bereits in den 1880er Jahren waren Urzeitkrebse gefragte Aquarientiere, hier eine Verkaufsanzeige des bekannten Berliner Zierfischzüchters Paul Matte, Lankwitz.

Rote Listen

Ich habe den jeweiligen Rote Liste Status der einzelnen Arten bei der "Schnellwahl/shortcuts" dargestellt. Ich bitte die Ausführungen zu den Roten Listen und anderen gesetzlichen Regelungen bei der einleitenden Vorstellung der Amphibien zu beachten. Es gelten die dort erläuterten Abkürzungen.
Für die Urzeitkrebse gibt es eine bundesweite Rote Liste (Simon 2016), sowie einige Rote Listen auf Länderebene. Für Niedersachsen existiert keine Rote Liste.

Hier gelangt Ihr zu den Artenportraits

Zu den Artenportraits gelangt Ihr, indem Ihr mit dem Mauszeiger auf ein Bild oder einen Artnamen klickt.

 

Quellen-Auswahl (alphabetisch):

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