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Europäische Sumpfschildkröte Emys orbicularis
Von Uwe Manzke
Verbreitung in Niedersachsen
Die Europäische Sumpfschildkröte hat sich in Nordwest- und Nordeuropa während einer nacheiszeitlichen Wärmeperiode (ca. 8.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung) bis nach Groß Britannien und Südschweden ausgebreitet. Damals waren sowohl die britische Insel, als auch Schweden noch mit dem Festland verbunden. Erst später fand die Überflutung mit Meerwasser und die Bildung des Ärmelkanals und des Öresunds statt. Mit der zunehmenden Atlantisierung des Klimas und einhergehender Abkühlung hat sich Emys orbicularis in die wärmeren und kontinentaleren Bereiche zurückziehen müssen, beziehungsweise ist sie am Rande ihrer Verbreitung ausgestorben.
Die Europäischen Sumpfschildkröten lassen sich in verschiedene geographische Rassen bzw. Unterarten auftrennen. In Deutschland soll die Ponthische Rasse Emys orbicularis orbicularis ursprünglich sein. Aber auch diese Rasse läßt sich in zwei verschiedene Gruppen unterteilen, eine westliche und eine östliche Gruppe. Die Grenze zwischen beiden Formen wird mit Polen angegeben.
Die Europäische Sumpfschildkröte gilt in Niedersachsen als ausgestorben. Im östlich angrenzenden Mecklenburg-Vorpommern und in Brandenburg existieren noch autochthone (= heimische) Vorkommen. Als heutige, klimabedingte westliche Verbreitungsgrenze wird ungefähr der Verlauf der Elbe angenommen. Entlang der Elbe, z. B. bei Magdeburg (Sachsen-Anhalt) wurden in den letzten Jahrzehnten gelegentlich Sumpfschildkröten beobachtet. Der Statuts dieser Tiere ist unbekannt. Aber auch an der niedersächsischen Elbe leben möglicherweise Sumpfschildkröten. So konnten vor einigen Jahren im Bereich der Sude, einem Nebenfluß der Elbe, Spuren einer Schildkröte (Sumpfschildkröte ?) gefunden werden .
Alle in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Niedersachsen gefundenen Europäischen Sumpfschildkröten werden als Aussetzungen von Tieren allochthonen (= fremdbürtig) Ursprungs interpretiert. In der Mehrzahl stammen die Tiere aus dem Mittelmeergebiet, für welches verschiedene regionale Unterarten beschrieben sind.
Neben den "Urlaubsmitbringseln" und "Gartenteichflüchtlingen" der letzten ca. 150 Jahre wurden in der Vergangenheit viele Europäische Sumpfschildkröten in katholisch geprägten Regionen als Fastenspeise importiert. Neben dem Biber, galt die Sumpfschildkröte als "essbares Wasserlebewesen (Fisch)" und wurde massiv aus dem Mittelmeergebiet, aber auch Polen und dem Baltikum eingeführt. Es wird daher in Frage gestellt, ob die Europäische Sumpfschildkröte wirklich an den vielen heutigen "Wiederansiedlungsgebieten" in Deutschland jemals ein natürliches Vorkommen gehabt hatte. Besonders gilt dies für das von Land und "Naturschutzorganisationen" getragene Aussetzungsgebiet am Steinhuder Meer in Niedersachsen. Anzumerken ist allerdings, dass vor einigen Jahrzehnten am westlich gelegenen Dümmer ein Fund einer subfossilen Emys gelang (Status, Unterart ?).
Vorkommen in der Region Hannover
Mir sind keine Hinweise zu ehemaligen, natürlichen Vorkommen in der Region Hannover bekannt. Hin und wieder tauchen jedoch Meldungen von Sumpfschildkröten auf, die sich zumeist als fehlbestimmte Schmuckschildkröten erweisen. Allerdings wurden auch Europäische Sumpfschildkröten ausgesetzt, so soll bis in die 1980er Jahre ein Tier im Muswillensee im Bissendorfer Moor gelebt haben.
In den letzten drei Jahrzehnten des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurden an verschiedenen Fließ- und Stillgewässern in dem östlich benachbarten Raum "Peine - Braunschweig" Sumpfschildkröten beobachtet.
Lebensraum
Die Europäische Sumpfschildkröte weist eine ausgesprochene Bindung an den Lebensraum Wasser auf. Sie besiedelt in Mitteleuropa bevorzugt wärmere pflanzenreiche (eutrophe) Seen und Bruchlandschaften sowie Altarme. Wichtig sind ungestörte Sonnplätze in Form aus, beziehungsweise ins Wasser ragender Baumstämme und Äste, kleinere Inseln (Geniste), Bulte und ähnliches. Im direkten Uferbereich sonnen sich die Tiere selten. Desweiteren benötigt die Europäische Sumpfschildkröte geeignete Eiablageplätze, zumeist besonnte sandige Standorte.
Biologie und Ökologie
Nach der Überwinterung, die Europäischen Sumpfschildkröten überwintern in Mitteleuropa an Land und im Wasser, sind die ersten Tiere je nach Witterung ab März beim Sonnenbad zu beobachten. Im Laufe des Frühlings paaren sich die Tiere im Wasser und in den warmen Sommermonaten erfolgt die Eiablage.
Je nach Bruttemperatur schlüpfen die Jungen ab August/September. Sind die Temperaturen in den Gelegen zu niedrig überwintern die Europäischen Sumpfschildkröten entweder in den Eiern oder im Gelege. Erst im darauffolgenden Frühjahr graben sie sich aus und suchen die Gewässer auf.
Die Sumpfschildkröte nimmt ihre Nahrung nur im Wasser auf und ernährt sich omnivor, wobei tierische Nahrung den Hauptbestandteil ausmachen soll.
Artenschutz und Artenhilfsmaßnahmen
Das Aussetzen fremdländischer Tierarten ist verboten, hierzu zählen auch die allochthonen Unterarten der Sumpfschildkröte, die zudem an andere Klimaregionen angepasst sind. Sollten noch Restbestände einheimischer Sumpfschildkröten in Niedersachsen überlebt haben, gefährden diese Aussetzungen diese Restbestände durch die Gefahr von Kreuzungen. Auch werden Wiederansiedlungsprojekte durch Einkreuzungen fremdländischer Formen erschwert.
Der mit staatlichen Mitteln und "Naturschutzgeldern" geförderte Ansiedlungsversuch (Aussetzen fremdländischer Tierart, "französiche Eltern-Linie") am Steinhuder Meer ist sehr kritisch zu beurteilen. Persönlich lehne ich dieses "Freilandexperiment" ab.
Die dafür eingesetzten (verbrauchten) personellen und finanziellen Mittel sollten besser zum Erhalt der letzten noch existierenden "einheimischen" Metapopulationen gefährdeter und stark gefährdeter Arten genutzt werden, sowie zur Wiederherstellung eines funktionierenden Bipotopverbundsystems, zum Beispiel einem "Kleingewässerverbund".
Aber kann man sich damit auf die Schulter klopfen? Nicht umsonst werden solche scheinbar prestigeträchtigen Projekte (Aktionen) mit einer enormen (verhältnislosen) Öffentlichkeitsarbeit und Einbindung von Ministern und anderen Politikern "verkauft". Seriöse Artenhilfsprojekte sollten eher im Verborgenen stattfinden, und erst nach ihrem Gelingen der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden - oder?
Für Hinweise zu Vorkommen der Europäischen Sumpfschildkröten und anderer Arten in Niedersachsen bin ich dankbar.
Exoten: Schmuck- und Zierschildkröten