Warum der Grasfrosch?
Hallo, ich bin der Grasfrosch. Ich finde es sehr gut, dass meinem Vetter dem Laubfrosch geholfen werden soll!
Aber, wer hilft mir?
Ursprünglich wollte ich an dieser Stelle den "Spatzen unter den Amphibien" vorstellen. Früher, und ggf. auch heute noch, der häufigste Froschlurch in Deutschland, eine "Allerweltsart". Aber der Grasfrosch ist das Amphib in Deutschland mit den größten Bestandseinbußen und Aussterbeereignissen - generell, auf Populationsebene und anhand der Individuenzahl.
Damit gehört die Art eigentlich als gefährdet auf die Rote Liste, aber ... das ist so nicht vorgesehen.
Doch gerade der katastrophale Rückgang von "Allerweltsarten" sollte zu Denken geben. Zeigt dieser Rückgang doch viel besser die Negativ-Entwicklungen in unserem Natur-Haushalt an, als der Rückgang irgendwelcher "gehegten und gestreichelten" Spezialisten (ich habe nichts gegen diese Arten mit höheren und hohen Ansprüchen, s. Laubfrosch).
Im November 2018 fand die "Internationale Fachtagung am 24.-25.11.2018 im LWL Museum für Kunst und Kultur in Münster, Westfalen" statt (Verbreitung, Ökologie, Systematik und Schutz des Grasfrosches Rana temporaria - Lurch des Jahres 2018). Auch ich & Co-Autoren hielt dort zwei viel beachtete Vorträge:
1) Medizinische Blutegel und Froschlurche - feldherpetologische Beobachtungen am Beispiel des Grasfrosches und der Erdkröte
2) "Clutch-Piracy" - Laichdiebstahl und mehrfache Vaterschaft beim Grasfrosch Rana temporaria
Vor allem der Vortrag im Zusammenhang des Blutegels Hirudo medicinalis wurde begeistert aufgenommen. Leider verstarb der bekannte Veterinär und Co-Autor zu diesem Beitrag Dr. Frank Mutschmann am Vorabend des Vortrages. Gerne denke ich immer wieder an unsere Zusammenarbeit. Aber auch vielen anderen geht es ähnlich und so wurde der
Frank- Mutschmann-Gedächtnispreis ins Leben gerufen.
Ursprünglich sollte ein Tagungsband erscheinen, doch konnte dies aus verschiedenen Gründen nicht realisiert werden. Auch ich habe bisher keine Zeit gefunden, das "Kapitel" Grasfrosch für diese Internetseiten aufzubereiten.
Zumindest der "Eierdiebstahl" (clutch piracy) und einiges im Zusammenhang des Blutegels wird hier dennoch dargestellt.
Zunächst, einige Ausführungen zum "Eierdiebstahl" (clutch piracy)
Ende der 1990er Jahre wurde mithilfe von DNA-Analysen bei Grasfröschen Rana temporaria herausgefunden, dass die Eier eines Laichballens (= ein Weibchen) durchaus von mehreren Männchen befruchtet werden können. Angenommen wurde, dass im Wasser umherflottierendes Sperma dafür verantwortlich sei (Laurila & Seppä 1998). Aber auch andere Möglichkeiten wurden nicht ausgeschlossen..
2004 wurden dann weitere Beobachtungen und Befunde zu diesem Thema publiziert: "Post-mating clutch piracy" (Vieites et al. 2004). Neben der nach wie vor bestehenden und plausiblen obigen These (Sperma im Wasser), konnten die Autoren beobachten, dass "fremde" Grasfroschmännchen gezielt frisch abgesetzte Laichballen "entführten", um diese dann selber (ohne Weibchen !) zu befruchten. Die fremden Männchen wurden "Piraten" genannt, und dieses Phänomen entsprechend "clutch piracy" (Eierdiebstahl/Laichballenräuberei), in Anlehnung an Befunde bei Fischen. Aber auch die Mehrfachbefruchtung direkt während des Ablaichens und mit dem "eigentlichen Elternpaar" durch andere Männchen wurde beobachtet. Im Extremfall wurden Laichballen durch fremde Männchen mithilfe der Vorderextremitäten (Hände) auseinandergerissen, um die noch unbefruchteten "inneren Eier" (d.h. im Zentrum des Laichballens) bloßzulegen und dann gezielt zu besamen.
Fehl-Amplexus bei der Erdkröte: hier umklammern zwei Männchen einen Tennisball.
Fehl-Amplexus: Grasfrosch-Männchen klammert Erdkröten-Männchen.
Eine im gleichen Jahr publizierte Untersuchung am Springfrosch Rana dalmatina (Lodé & Lesbarréres 2004) sowie kurz darauf an der Erdkröte Bufo bufo (Sztatescny et al. 2006) zeigten ähnliche Befunde. Auch hier konnte eine "mehrfache Vaterschaft" (multiple paternity, Polyandry) pro Laichballen/-schnur mithilfe von DNA-Analysen ermittelt werden. Bei der Erdkröte werden oft ineinander "verkrallte" Individuen am Laichplatz gefunden, manchmal "fußballgroß". Im Inneren dieser Bälle, Trios oder andere Gruppenzusammensetzungen befindet sich zumeist ein Klammerpaar, welches dann von weiteren Männchen zusätzlich geklammert wird. Laicht dieses Paar ab, setzen dann auch weitere Männchen ihr Sperma ab. Oft sterben die Weibchen allerdings bei diesen übermäßigen Klammerungen (vgl. Video-Sequenz "Kämpfende" Erdkröten-Männchen im Wasser).
Ein weiteres Phänomen ist das stundenlange Klammern eines (fremden ?) Laichballens durch ein Grasfrosch-Männchen (vgl. Video-Sequenz Klammern und Verteidigen eines (fremden?) Laichballens). Diese Handlung wurde erst einmal beschrieben (Demeter & Benkö 2007). Sinn und Zweck, beziehungsweise welches mögliche "fehlgeleitete" Verhalten hier vorliegt, ist bisher nicht geklärt (vgl. Fehlpaarungen bei der Erdkröte und anderer Froschlurche, Klammerreflex etc.).
Ich möchte hier mithilfe der dargestellten Video-Sequenzen auf dieses selten beobachtete, aber sicherlich "allgegenwärtige" Phänomen der mehrfachen Vaterschaft bei Froschlurchen (zumindest in großen und sehr großen Ablaichgesellschaften) hinweisen und zu entsprechenden Untersuchungen/ Beobachtungen aufrufen. Die Beispiele sollen helfen, solche und ähnliche Beobachtungen besser deuten zu können.
Für Hinweise zu, und Beobachtungen von diesem Verhalten bin ich dankbar (Kontakt, Impressum).
Videos zu diesem Phänomen findet ihr hier: Videos zu "clutch piracy".
allgemeine Vorstellung des Grasfrosches
